Die Gefahrstoffverordnung bildet das Rückgrat des Arbeitsschutzes im Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen und schützt Handwerker vor den Gefahren dieser gefährlichen Substanz. Doch die aktuelle Fassung dieser Verordnung hinkt der Realität hinterher. Sie berücksichtigt nicht, dass Asbest in weitaus mehr Bauprodukten enthalten sein kann als bis vor kurzem angenommen wurde. Angesichts der wachsenden Zahl von Sanierungsarbeiten, bei denen erhebliche Mengen Asbest freigesetzt werden, ist eine Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung deshalb dringend erforderlich. Bedauerlicherweise lässt die Neufassung auf sich warten, obwohl die steigende Asbestbelastung ein drängendes Problem darstellt.
Asbestverbot erst ab 1993
Bis in die frühen 1990er Jahre hinein war Asbest ein gängiger Bestandteil vieler Bauprodukte, insbesondere von Dachplatten und Fassadenverkleidungen. Erst 1993 wurde die Verwendung dieser mineralischen Fasern verboten, da sich herausstellte, dass sie erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Asbestpartikel können leicht in die Atemwege und die Lunge gelangen und schwerwiegende Krankheiten verursachen. Die tragischen Folgen dieser Exposition sind auch heute noch spürbar. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ist Asbest auch nach mehr als 30 Jahren des Verbots die Hauptursache für Todesfälle im Zusammenhang mit Berufskrankheiten.
Altbauten: Immer noch hohe Asbestexposition
Obwohl es in Deutschland ein grundsätzliches Verbot von Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien gibt, existieren Ausnahmen für Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten – die Tätigkeitsbereiche des Bau- und Ausbauhandwerks. Betriebe in diesen Gewerken müssen zwar die bestehenden Arbeitsschutzvorschriften beachten, dennoch sind sie nach wie vor den Risiken einer Asbestexposition ausgesetzt.
Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) warnte kürzlich davor, dass die steigenden Erkrankungszahlen aufgrund von Asbest in den kommenden Jahren zu einem ernsthaften Problem werden könnten. Angesichts der großen Anzahl von älteren Wohngebäuden, die vor der Wende in Deutschland errichtet wurden, schlummert noch immer eine erhebliche Menge an gefährlichem Asbest in diesen Gebäuden. Diese Immobilien werden nun vermehrt saniert und renoviert, was zu einer weiteren Freisetzung von Asbest führen kann. Laut BG Bau gab es im Jahr 2022 insgesamt 2.414 neue Verdachtsfälle asbestbedingter Berufserkrankungen – eine alarmierende Zunahme der Fallzahlen.
Asbest auch in Fliesenklebern, Dachplatten und Fensterkitt
Besonders bei Sanierungsarbeiten wird deutlich, wie weitverbreitet asbesthaltige Materialien vor 1993 eingesetzt wurden. Der Staub, der bei Arbeiten an Dachplatten, Wänden, Fliesenklebern und Fensterkitten freigesetzt wird, birgt erhebliche Gefahren. Erst in den letzten Jahren wurde bekannt, dass Asbest auch in Bauprodukten wie Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern und Fensterkitten enthalten sein kann. Dies, kombiniert mit den immer noch vorhandenen Gefahren durch bereits verbaute Asbestmaterialien, machte eine Überarbeitung der bestehenden Vorschriften dringend notwendig.
Gefahrstoffverordnung: Keine Neufassung in 2023 in Sicht
Die aktuelle Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung steckt jedoch in einem langwierigen Prozess fest. Obwohl die steigenden Erkrankungszahlen und die drohende erhöhte Belastung durch Asbest die Dringlichkeit unterstreichen, hat die Novelle bisher keine nennenswerten Fortschritte im politischen Prozess gemacht. Weder das Bundesarbeitsministerium (BMAS) noch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) können bestätigen, dass die Neufassung in diesem Jahr in Kraft treten wird. Dennoch begrüßt der ZDH die angestoßene Überarbeitung und die bisherigen Entwurfsarbeiten.
Bauherren künftig in der Verantwortung
Die überarbeitete Gefahrstoffverordnung zielt darauf ab, Handwerkern einen gesetzlich gesicherten Gesundheitsschutz zu bieten, insbesondere bei Sanierungsarbeiten, bei denen Asbest eine Rolle spielen könnte. Die Neuregelungen sollen es Handwerkern ermöglichen, notwendige Arbeiten an älteren Gebäuden durchzuführen, selbst wenn die Gefahr besteht, auf asbesthaltige Materialien zu stoßen. Dabei ist ein angemessener Gesundheitsschutz unabdingbar.
Bisher wurden Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen durch Leitlinien unterstützt, um den Arbeitsschutz während solcher Arbeiten zu gewährleisten. Dies ändert sich nun, da die novellierte Gefahrstoffverordnung den „Veranlasser“ von Bauarbeiten in die Pflicht nimmt. Das bedeutet, dass Bauherren und Auftraggeber künftig dafür verantwortlich sind, zu ermitteln, ob in den jeweiligen Gebäuden Asbest oder andere Gefahrstoffe vorhanden sind.
Bisher wurden vor Baumaßnahmen nur selten Proben genommen, um festzustellen, ob asbesthaltige Materialien verwendet wurden. Die neue Regelung zielt darauf ab sicherzustellen, dass Handwerksbetriebe bereits im Vorfeld über mögliche Gefahrstoffe informiert werden, um angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Dies ermöglicht den Betriebsinhabern, konkrete Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der am Bau beteiligten Handwerker festzulegen.
Da der Umgang mit Asbest und die damit verbundenen arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen von großer Bedeutung sind, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Zusammenarbeit mit dem BMAS eine Informationsplattform eingerichtet. Das Ministerium betont, dass es das Thema ernst nimmt und die Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs in die Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung einfließen. Dennoch bleibt der Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Neufassung der Verordnung weiterhin unklar.